
Die großen Meister aller Yoga-Traditionen raten uns zu täglicher Übungspraxis. Damit ist eigentlich die Meditationspraxis gemeint. Hatha-Yoga dient als Vorbereitung für die Meditation und hilft uns, den Körper zu stärken und den Geist möglichst oft in einem ruhigen Zustand zu halten.
Die körperlichen Wirkungen der Hatha-Yoga Praxis sind natürlich schneller und deutlicher, je öfter Du übst. Die tägliche Praxis bei vielen Yoginis und Yogis scheitert aber an zu hohen Ansprüchen und/ oder zu wenig Disziplin.
Es ist leicht, sich vorzunehmen, jeden Tag eine Stunde Hatha-Yoga zu üben. Und es ist noch leichter, jeden Tag eine neue einleuchtende Ausrede zu finden, warum das gerade heute nicht geht. Kennst Du das auch?
Eine gute Möglichkeit in die tägliche Regelmässigkeit zu finden ist, sich während einiger Tage mit einem einzelnen Asana zu beschäftigen. 10 Minuten tatsächlich üben ist besser als eine Stunde nicht ausgeführte gute Vorsätze! Und wenn Du dann schon auf der Matte bist, packt Dich vielleicht die Lust, noch mit einer kurzen oder langen Sequenz weiter zu machen.
So kann ein Ritual entstehen. Bestenfalls praktizierst Du täglich zu einer bestimmten Zeit am selben Ort auf Deiner Yogamatte
Dieses immer gleiche Ritual hat eine unglaubliche Kraft: es hilft Dir nicht nur, dran zu bleiben, die Stellung körperlich wahrzunehmen, sondern es zeigt Dir im Laufe der Zeit auch die Veränderung in dir drin.
Wir alle haben gute und schlechte Tage. So wie sich unser Körper nicht jeden Tag gleich anfühlt, schwankt auch unser Gefühlszustand.
Es ist dasselbe Zimmer, dieselbe Yogamatte, dieselbe Atmosphäre im Raum, derselbe Baum vor dem Fenster. Vielleicht ist das Wetter anders, aber ansonsten ist alles gleich. Gestern warst Du fröhlich, heute bist Du es nicht.
Der einzige Unterschied ist Dein Geist, der Dir heute andere Geschichten erzählt als gestern, der heute Dinge verurteilt, die er gestern noch gut fand oder heute Dinge in den Fokus rückt, die gestern noch keine Bedeutung hatten.
Also nicht nur unser Körper, sondern auch unser Geist ist veränderlich und mit einem «Asana der Woche» kannst Du lernen dies liebevoll anzunehmen und Dich Deinem wahren ICH zuwenden.
9. Februar 2021
Diese Woche beschäftigen wir uns mit dem Bhujamgasana
Bhujamga bedeutet ›Schlange‹. Da diese Stellung einer sich aufbäumenden Kobra mit gespreiztem Hals gleicht, wird sie Bhujamgasana oder Kobrastellung genannt. Eine weitere Bezeichnung für dieses Asana ist Sarpasana. Sarpa bedeutet ebenfalls ›Schlange‹.
Konzentriere dich während der ersten Runde auf das Kreuz,
während der zweiten Runde auf Gallenblase, Leber, Magen und Milz,
während der dritten Runde auf das Herz und den Brustbereich.
Vergegenwärtige dir in der nachfolgenden Entspannung die unten genannten Wirkungen dieser Übung.
Wirkung: Alle Arten von Rückenschmerzen können durch dieses Asana gelindert werden, denn es stärkt alle Muskeln des Rückens. Die Beweglichkeit der Wirbelsäule wird verbessert. Es verbessert die Verdauung, heilt Verstopfung, hält Leber, Milz, Nieren und Nebennieren gesund und erhöht die Durchblutung der Gebärmutter und der Eierstöcke.
Viele Frauenkrankheiten können mit diesem Asana geheilt werden. Wer an hohem Blutdruck leidet, kann bei regelmäßiger Übung dieses Asanas sehr gute Erfolge erzielen. Dies ist außerdem eine gute Übung bei Angina pectoris. Diese Krankheit kann durch regelmäßiges Praktizieren von Bhujamgasana verhindert werden
12. Februar 2021
Mach dir nun beim Üben die Qualität der Kobra bewusst. Beim Lesen des Textes wirst du sehen wie topaktuell diese Thematik ist.
«Die Kobra zieht sich bei Geräuschen und Erschütterungen des Bodens sofort zurück, sie verkriecht sich. Wenn das nicht möglich ist, und sie in die Enge getrieben und gereizt wird, stellt sie sich auf, zischt und beisst zu bzw. spuckt ihr Gift. Diese Eigenschaften werden auf den Übenden übertragen. Wahre Toleranz heisst, anderen Raum zu geben, sich zurückzunehmen (Kobra zieht sich zurück). Toleranz ist urteilslos. Wird man aufgrund der eigenen Urteile und unerfüllten Erwartungen gereizt, hilft es nicht, die Faust im Sack zu ballen und sich vorzumachen, man sei tolerant, nur um ein fiktives Selbstbild aufrechtzuerhalten. Dieses Verhalten kann zu hohem Blutdruck führen und ist typisch für Pingala-Überfluss. Ebenso ist es falsch, sich ständig zurückzuziehen und anderen Raum zu gewähren, wenn man dabei die eigenen Bedürfnisse unterdrückt und deshalb unzufrieden ist. Dieses gegenteilige Verhalten entspricht dann einem Ida-Überfluss.
Zuviel Pingala (aktive Energie) entspricht übertriebenem Einfordern der eigenen Bedürfnisse verbunden mit Schimpfen über Umstände und andere Menschen. Ida-Überfluss entspricht der Unfähigkeit, seine Bedürfnisse und Prinzipien mit Nachdruck zu verteidigen und seiner inneren Wahrheiten aus Angst davor, sein Gegenüber zu verletzen, Ausdruck zu verleihen.
Toleranz kennt keine Verurteilung. Wenn man also auf bestimmte Menschen gereizt reagiert, dann ist man nicht tolerant. Diese Übung schafft ein Bewusstsein dafür, wo man noch nicht tolerant und rücksichtsvoll ist und noch an sich arbeiten kann. Entweder man schafft es aus einem inneren Impuls (Bauchlage) heraus, Urteile und Erwartungen loszulassen (Schlange zieht sich zurück), oder man muss sich überwinden, über diese offen zu kommunizieren und zu seinen Schwächen zu stehen (Schlange stellt sich auf und beisst). Damit ist man plötzlich nicht mehr besser als die anderen und kann sich nicht mehr über vermeintlich unzulängliche Mitmenschen erhöhen. Urteile und Erwartungen werden erlöst.«
aus dem Buch «Der Yoga-Code» von Satyananda
2. Februar 2021
Lass Dich nun von der Katzenstellung durch die Woche begleiten.
Marjara bedeutet ›Katze‹. Die verschiedenen Stadien dieses Asanas sehen aus wie eine Katze, die ihren Schwanz hebt und manchmal ärgerlich einen Katzenbuckel macht. Daher wird diese Übung Marjarasana oder Katzenstellung genannt.
Konzentriere Dich in der Übung wieder zuerst auf Deinen Körper.
Wie fühlt sich der Vierfüssler-Stand an? Spanne dich auf darin.
Wie ist es, das Bein nach oben zu heben? In welche Richtungen kann Länge entstehen?
Wo nimmst Du Kraft wahr?
Wie erlebst Du den Gegensatz im Einrunden?
Spüre jeweils in die Hüfte auf der Seite des gehobenen Beines und in die ganze Wirbelsäule während dem Katzenbuckel.
Gehe 2-3x in die Stellung und halte nach jedem Durchgang einen Moment inne und mach Dir die körperlichen Wirkungen bewusst:
Dieses Asana entfernt alle Schmerzen in der Taille, den Lenden und in den Hüften und macht diesen Bereich beweglich. Es wirkt lindernd bei Ischiasschmerzen und hält die Ischiasnerven gesund. Es stärkt die Steißbein- und Kreuzbeinwirbel und die Muskeln von Armen und Schultern. Es entfernt außerdem eine übermäßige Fettansammlung an den Oberschenkeln und am Gesäß, wodurch diese Körperteile eine schöne Form bekommen. Darüber hinaus erhält man durch regelmäßiges Üben dieses Asanas die Beständigkeit einer Katze.
5. Februar 2021
Auch die Katzenstellung wirkt auf unser Inneres. Lies deshalb vor dem Üben einmal – oder vor jeder Wiederholung, den folgenden Text:
» Die Katze ist wohl das am weitesten verbreitete Haustier. Typische mit ihr assoziierte Werte sind Eigenwilligkeit, Unabhängigkeit und Festigkeit (sieben Leben). Genau diese Werte versucht der Übende auf sich zu übertragen. Die Katze ist als Haustier bezüglich Fressen, Wohnen , Schlafen etc. von ihrem Besitzer abhängig. Dennoch macht sie immer, was sie will. Sie schläft, geht nach draussen oder will hinein, kuschelt, spielt, zeigt Krallen, macht einen Buckel, faucht, bettelt, stolziert und vieles mehr, je nach Lust und Laune. Dabei kümmert es sie nicht, wie ihr Verhalten beim Umfeld ankommt. Sie ist einfach sie selbst trotz ihrer äusserlichen Abhängigkeit. Die Katze kann man – im Gegensatz zum Hund – aber auch ein paar Tage sich selbst überlassen. Sie ist eine Überlebenskünstlerin und kann bei Bedarf für sich selbst sorgen. Der Übende lernt also, ganz er selbst zu sein, auf sich zu vertrauen und je nach Situation die richtige Verhaltensweise zu wählen, die ihm seine innere Stimme (Festigkeit) ohne Angst vor Verlust oder Ablehnung (Unabhängigkeit) eingibt.
Marjarasana hilft dabei, den Menschen wieder in die Unabhängigkeit zu führen. Diese ist nicht eine äusserliche, sondern eine innerliche Qualität. Das Individuum muss lernen, wieder auf seine innere Stimme zu vertrauen. Die Balance zwischen äusserlicher Abhängigkeit, der jeder Mensch – bezüglich Job, Familie, Freundeskreis etc. ausgesetzt ist, und innerlicher Abhängigkeit – «So, wie ich bin, bin ich in Ordnung» – wird wieder hergestellt.
Weil man an bestimmten Bedürfnissen festhält und glaubt, man sei für ihre Erfüllung auf die Mitmenschen angewiesen, macht man sich abhängig. Unabhängigkeit ist immer auch mit Verzicht verbunden. Diesen unterstützt die Stellung, indem die Füsse nach oben gehoben werden und die Hände den Boden berühren. Der Übende ist in sich gekehrt und schweigsam, was durch die Position des Kopfes im Nacken gefördert wird, oder er drückt sich klar aus, was durch die Katzenbuckelposition unterstützt wird, in welcher das Kinn Richtung Brust zieht.«
aus dem Buch «Der Yoga-Code» von Satyananda
25. Januar 2021
Konzentriere Dich heute in der Übung auf Deinen Körper.
Wie fühlt sich der Aufrechte Stand an?
Wie ist es, die Arme nach oben zu führen und in die Seitbeuge zu gehen?
Wo fühle ich mich gehalten – wo gedehnt und weit?
Spüre in der jeweils gedehnten Seite in die Hüfte – die Niere.
Gehe 2-3x in die Stellung und halte nach jedem Durchgang einen Moment inne und mach Dir die körperlichen Wirkungen bewusst:
Dieses Asana ist sehr gut für die Nieren und die Nebennieren, welche durch regelmässige Praxis von Ardha Candrasana gesund bleiben. Überschüssiges Fett an der Taille wird reduziert, und Schmerzen in der Taille und in den Hüften können beseitigt werden.
29. Januar 2021
ardha = halb
candra = Mond
asana = Stellung
Lass Dich nun vom Ardha Candrasana seitwärts auch innerlich berühren und lies dazu einmal – oder vor jeder Wiederholung, den folgenden Text:
«Der Mond wird in der Regel mit dem Unterbewusstsein des Menschen in Verbindung gebracht. Allerdings hat er eine helle und eine dunkle Seite.
Der Mond leuchtet nicht aus eigener Kraft, sondern reflektiert lediglich das Licht der Sonne. Das bedeutet auf geistiger Ebene, dass alle Geschöpfe und ihre Eigenschaften letztlich eine Reflexion der einen Lichtquelle – Gott – sind. Basiert die Definition der eigenen Persönlichkeit aber auf der Identifikation mit bestimmten Eigenschaften und der dadurch entstehenden Ablehnung anderer, resultieren Licht und Schatten, Bewusstsein und Unterbewusstsein. Dieses Verhalten führt zu Problemen in der Hüftregion, die durch die Stellung und die entsprechende Veränderung der Geisteshaltung behoben werden. Andere Menschen reflektieren demzufolge lediglich die unbewusste Seite des Betrachters, so, wie der Mond nur das Licht der Sonne reflektiert und die Erde während der Nacht erhellt. Wird man sich dessen bewusst und stellt sich der Herausforderung, indem man sich mit dem Umfeld im kommunikativen Austausch auseinandersetzt, dringt das Sonnenlicht als Reflexion in das Unterbewusste vor, was der hellen Seite des Mondes entspricht. Wird es richtig genutzt, kann die eigene dunkle Seite erfahren und aufgearbeitet werden. Die Mitmenschen werden nicht mehr als Belastung empfunden, sondern als göttliches Licht auf dem Weg zur Selbsterkenntnis. Dies führt zu mehr Demut und Hingabe, das Herz wird befreit.»
aus dem Buch «Der Yoga-Code» von Satyananda
